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con-text ideenlabor | Textarchiv | Warum wir einen L-Plan brauchen
Irgendwie erinnert die gläserne Kuppel, die der englische Stararchitekt Lord Norman Foster dem Berliner Reichstag aufgesetzt hat, an die Krönungskirche der oströmischen Kaiser, die gute alte Hagia Sophia in Konstantinopel. Freilich stimmen da nicht alle Details und erst recht fehlen dem Hauptsitz der deutschen Demokratie die vier filigranen Minarette, die das Prachtstück der byzantinischen Baukunst - später umgenutzt als osmanische Moschee - so hübsch einrahmen.
Doch was Architekten und Historikern das Herz höher schlagen lassen mag, beschert Politikern der CDU und CSU allenfalls Extrasystolen. Bedenkt man, welchen globalen Attacken ihr ästhetisches Empfinden tagtäglich ausgesetzt sein muss, können sie einem auch wirklich "Leit" tun. Denn wo sie auch hinschauen, starrt Fremdes zurück: vom Asphalt der Chausseen, von den schmucken Fassaden der Beletages und den Kuppeln unserer Republik. Diese innere Ausländerei, überlegten sich die Herren in den englischen Anzügen und der bajuvarischen Klangfärbung, verursache den Niedergang der deutschen Kultur. Wie bitte, das finden Sie absurd? Dann gehören sie aber ganz schnell auf die Couch, denn sie haben ein patriotisches Identitätsproblem.
Da hilft eine "freiheitlich deutsche Leitkultur", meint Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Allerdings steht es mit der Kultur der Deutschen noch schlimmer, als vermutet. Der Feind hat sich längst hinter die Front geschlagen: Da wälzt er sich schamlos als Pyjama (ind. pajama, Beinkleid) getarnt in deutschen Betten, dampft als Kaffee (arab. kaphe) mit französich aufgeschäumter Milch aus der Porzelantasse (made in Taiwan) und tropft als englische Marmelade (port. marmelo) vom Croissant (franz. Gebäck) auf die Krawatte (slaw. Kroata, Halsbinde). Die arabischen Ziffern der Uhr sind Schuld, wenn der deutsche Leid-Kultur-Tragende anschließend auf dem Weg zu seinem japanischen Auto (griech. autós) über seine italienischen Schuhe stolpert und zu spät zum Job (amerik.) kommt.
Allerdings mag es manchem dabei entgangen sein, dass selbst "Kultur" ein Fremdwort ist. Laut Brockhaus bedeutet es "die Gesamtheit der Lebensäußerungen der menschlichen Gesellschaft in Sprache, Religion, Wissenschaft, Kunst". Das vorgestellte "Leit" macht es nicht eben deutscher. Keine Kultur, die nicht auch von anderen Kulturen beeinflusst wurde. Nirgendwo äußert sich dies deutlicher als in der Baugeschichte. Der Austausch ist lebendig und die Kultur ist nicht an Grenzen gebunden. Entweder man hat sie, oder man hat sie nicht. Was soll die deutsche Leitkultur bezwecken? Zuwanderer an unsere ethischen Wertvorstellungen binden? Das beinhaltet bereits unsere Verfassung. Eine Sprachhülse also, geschaffen, um von beherzten Politikern gefüllt zu werden. Dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein etwa verdanken wir die wegweisende Interpretation: Es gehe bei der Leitkultur darum, dass es keine Minarette in oberbayerischen Dörfern geben könne. Da die Religionsfreiheit bekannter Maßen fest in unserer Verfassung verankert ist, reduziert dies das Problem zu einer Frage des B-Plans, sorry des L-Plans (L wie Leitkultur). ULRIKE BALS
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